Bauvorschlag für einen Drehtisch

Wie bereits gezeigt, können Stereoaufnahmen mit Hilfe eines Drehtisches erstellt werden. An einen solchen  Drehtisch sind eine Reihe von Anforderungen zu stellen:

Er muss stabil und präzise sein. Insbesondere hat die Drehung um einen sauber definierten Mittelpunkt zu erfolgen, d.h. die Achse darf kein merkliches Spiel haben. Will man den Konvergenzwinkel des Stereomikroskops realisieren, muss die Tischebene genau senkrecht zur Drehachse liegen.

Die Drehung ist mit hoher Genauigkeit auf 180 Grad zu beschränken. Weicht die Drehung des Drehtisches von 180° ab, so sind die Achsen der Halbbilder nicht mehr korrekt ausgerichtet. Es entstehen Bildfehler wie bei einer Stereokamera, bei der die beiden Einzelkameras gegeneinander verkippt sind, so dass sie keine parallele Horizontlinie mehr besitzen. Eine Drehung um einen Winkel, der größer oder kleiner als 180 Grad ist, führt bei der Ausrichtung der Bilder zudem zwangsläufig zu einem Verlust an Bildfläche. Bei einer Drehung des Tisches um 180 Grad ist bei der Montage der Einzelbilder zu einem Stereobild nur eine einfache Drehung um 180° auszuführen.  

Der Tisch sollte sich gut in den Fuß des Stereomikroskops einsetzen lassen. Nach Möglichkeit sollte er im Mittel-bereich transparent sein, um eine Durchlichtbeleuchtung zu ermöglichen. Dass er überdies billig sein soll und ohne spezielles Werkzeug in relativ kurzer Zeit zu bauen, liegt auf der Hand.

Realisierung
Ich habe mich entschlossen, als wesentliches Element ein Kugellager (Rillenkugellager, mit Innendurchmesser d=50mm und Außendurchmesser D=80mm, Breite B=16mm) einzusetzen, das man günstig bei eBAY ersteigern kann. Die Maße sind nicht kritisch und müssen nur in etwa zum Fuß des verwendeten Stereomikroskops passen. Die Tischober- und Unterseite bilden kreisförmige Glasscheiben, die man sich geeignet zuschneidet und entgratet oder beim Glaser für wenig Geld anfertigen lässt. Der Boden ist so zu wählen, dass er sich spielfrei in den Fuß des Mikroskops einsetzen lässt. Wahlweise kann man auch eine kreisförmige Scheibe aus Glas oder Metall als Boden verwenden, die in der Mitte eine kreisförmige Aussparung besitzt. Das bietet den Vorteil einer Reinigungsmöglichkeit. Die Tischober- und Unterseite werden an beiden Seiten des Kugellagers befestigt.


In der nebenstehenden Zeichnung ist die von mir gewählte Realisierung zu sehen. Die im Querschnitt rot dargestellten ringförmigen Zwischenstücke verbinden Kugellager und Glasscheiben und sorgen für den notwendigen Abstand. Damit nämlich nichts schleift, benötigt man einen sehr geringen Abstand zwischen Tischplatten und Lager. Beabsichtigt waren hier dünne Metallfolien. Provisorisch habe ich doppelseitiges Klebeband verwendet und bekanntlich lebt nichts länger als ein gutes Provisorium. Das Band hält so gut, dass ich immer noch mit diesem „Provisorium“ arbeite.

  Technische Zeichnung der Realisierung des Drehtisches - Bild ist zum Verständnis des Textes notwendig


Zusammenbau
Zuerst wird die Tischoberseite auf den Kugellager befestigt.  Die Positionierung der Tischplatte ist völlig unkritisch. Ein Blatt Papier mit Kreisen hilft bei der Zentrierung. Im nächsten Schritt wird möglichst exakt der Durchstoßpunkt der Drehachse durch die Tischplatte (Drehpunkt) gesucht und mit einem Fineliner (wie er zur Beschriftung von CDs angeboten wird) markiert. Die exakte Bestimmung dieses Punktes gelingt unter dem Stereomikroskop. Der Boden wird dazu provisorisch befestigt und das Lager gedreht. Die Markierung darf ihre Lage dabei nicht verändern. Das endgültige Montieren des Bodens wird ebenfalls unter Mikroskopbeobachtung durchgeführt.  Es wird mit einem Okular mit Fadenkreuz die Mittelpunktsmarkierung der Tischoberseite in  den Mittelpunkt des Bildes gebracht und dann der Boden in dieser Lage fixiert. Danach sind nur noch Korrekturen durch Schwenken des Stereomikroskops um seine vertikale Befestigung möglich. Man könnte auch daran denken, durch leicht exzentrische Montierung und Drehung des ganzen Drehtisches in Verbindung mit einem Schwenken des Stereomikroskops um seine vertikale Befestigung eine spätere Justierung zu ermöglichen, aber das ist sicher nicht der eleganteste Weg. Verwendet man einen Fototubus, wird die Justierarbeit zweckmäßig mit Okulareinblick am Fototubus ausgeführt, denn auf den kommt es bei Stereoaufnahmen an. Leider kann man nicht immer davon ausgehen, dass die Mittelpunkte des visuellen Einblicks und des Fototubus exakt übereinstimmen.

Finger mit Magnet zur Begrenzung der Drehung auf 180 Grad - Bild ist zum Verständnis des Textes hilfreich  


Seitliche Anschläge
Zur Eingrenzung der Drehung auf 180 Grad wurde ein Finger an der Unterseite der Tischplatte angeklebt und weiterhin zwei Anschläge auf der Tischauflage. Zur Erreichung einer definierten Endstellung ist der Finger als Magnet (genauer gesagt sind zwei Magneten im Keil zusammengeklebt) ausgeführt. Dieser Finger ist links im Bild zu sehen. Die Anschläge sind Schraubenköpfe, die eine einfache und sehr genaue Justierung ermöglichen. Mindestens ein Anschlag sollte justierbar sein. Die Haltekraft darf nicht zu groß sein, sonst ist ruckfreies Arbeiten später nicht möglich. Notfalls kann man eine dünne Scheibe als Abstandshalter dazwischensetzen. Die Begrenzung der Drehung auf 180° wird wieder mittels Fadenkreuzokulars eingestellt. Eine genaue Justierung gelingt auch mit Hilfe von Fotos eines flachen Motivs , die in den Endpositionen angefertigt werden. Nach Drehung eines der Bilder um 180° müssen sie sich durch Verschiebung zur Deckung bringen lassen.


Bohrungen im Glas sind nicht erforderlich. Für die Klebearbeiten am Glas eignen sich Zwei-Komponentenkleber ausgezeichnet. Auch Heißklebe-pistolen kann man gut verwenden. Dies bietet die Möglichkeit, durch Erhitzen die befestigten Gegen-stände wieder entfernen oder die Klebeposition nachträglich korrigieren zu können.

Rechts ist der fertige Drehtisch zu sehen.

Man muss schließlich nur noch darauf achten, dass der Drehtisch so fest im Fuß sitzt, dass die Tischauflage sich nicht während der Arbeit dreht oder verschiebt. Ich hatte das Glück, dass die Bodenplatte so exakt im Fuß des Stereomikroskops sitzt, dass irgendwelche zusätzliche Befestigungselemente nicht benötigt werden. In der Regel wird man eine Klemmung oder einen Halterahmen benötigen. Die Haftreibung durch das Eigengewicht ist mit Sicherheit nicht ausreichend, um den Tisch ohne jede Befestigung zu betreiben.

  fertiger Drehtisch
Drehtisch mit kleiner LED-Lampe - Bild ist zum Verständnis des Textes hilfreich  


Beleuchtung
Besonderer Beachtung bedarf die Beleuchtung. Schon bei der Wippe, wie sie auf der vorhergehenden Seite beschrieben ist,  sind bei einer feststehenden Beleuch-tung durch unterschiedliche Einfallsrichtung des Lichtes Irritationen zu erwarten. Bei dem Drehtisch ist das Problem größer. Wäre eine Beleuchtung, die das Objekt von einer Seite anstrahlt, fest am Mikroskop montiert oder neben dem Mikroskop aufgestellt, würde bei Drehung des Tisches die Beleuchtung relativ zum Objekt um 180° gedreht. Das rechte und das linke Auge würden dann eine sehr unterschiedliche Ausleuchtung in den Halbbildern wahrnehmen. Eine mögliche Antwort auf dieses Problem ist eine vollkommen symmetrische Beleuchtung (Glasfaserleuchte mit Ringvorsatz oder LED-Ringleuchte). Die beste Lösung erscheint mir jedoch eine Beleuchtung, die am Drehteller montiert ist und mit ihm mitbewegt wird. Hierdurch wird sichergestellt, dass sich die Beleuchtungsverhältnisse im Bezug auf das Objekt bei der Drehung nicht verändern. Es bietet sich eine LED-Beleuchtung an, die ohne ein Kabel zu einer externen Stromversorgung auskommt.
 


Wie das Bild oben zeigt, habe ich einen LED Lenser von Optoeletronics mit einem Aluclip am Rand des Tellers befestigt. Mittels seines flexiblen Halses kann er gut auf das Objekt ausgerichtet werden.

Eine weitere LED-Taschenlampe wurde über eine einfache verstellbare Halterung auf dem Drehteller angebracht. Die Lampe sitzt fest in einer Manschette. Mit einem Zwischenstück aus Aluminium ist die Lampe auf einen Fuß aufgesetzt, der auf die Glasplatte aufgeklebt wurde. Dabei steckt ein Zapfen drehbar in einer Buchse und kann mittels einer Flügelschraube arretiert werden. Im Bild rechts ist zu erkennen, dass die Lampe gut auf das Objekt ausgerichtet werden kann. Obwohl diese LED-Lampe einen einstellbaren Öffnungswinkel besitzt, ist die ausgeleuchtete Fläche bei niedrigen Ver-größerungen unzureichend. Eine kleine vorgesetzte Zerstreuungslinse aus Kunststoff beseitigt diesen Mangel.

  Drehtisch mit großer LED-Lampe - Bild ist zum Verständnis des Textes hilfreich

Drehtisch auf dem Fuß des MBS-10

Mit beiden Lampen lassen sich die meisten Beleuchtungsprobleme lösen. Links sieht man den Tisch mit beiden Lampen. Allerdings wird die Handhabung des Tisches durch die Aufbauten erschwert. Man muss beim Drehen darauf achten, das Objekt nicht zu verschieben und die Ausrichtung der Beleuchtung nicht zu verändern. Der Tisch muss so in den Fuß des Stereomikroskops eingesetzt werden, dass die große Taschenlampe nicht mit dem Stativ kollidiert.

Die Helligkeit der verwendeten Taschenlampen ist für die visuelle Beobachtung etwas zu schwach ausgelegt. Für fotografische Zwecke ist sie hingegen völlig ausreichend, zumal ich die Kamera nicht von Hand auslöse, sondern grundsätzlich über einen PC steuere. Die Steuerung durch den PC mit unmittelbaren Download des Bildes halte ich auch bei kurzen Belichtungszeiten ohne Gefahr des Verwackelns für die beste Methode. Vor dem Drehen des Tisches kann man sich versichern, dass die Aufnahme gelungen ist.

     


Geneigter Drehtisch
Will man von dem Konvergenzwinkel  abweichen, der durch das Stereomikroskop vorgegeben ist, kann man das durch einen zusätzlichen Tisch erreichen, auf den der oben beschriebene Drehtisch aufgesetzt wird. Die Konstruktion ist rechts im Bild zu sehen. Die runde Bodenplatte  sitzt in einer flachen Aussparung. Die einseitige Höhenverstellung geschieht mittels zweier Schrauben auf der linken Seite des Zwischentisches. Kleinere Schwierigkeiten bereitet die feste Montage auf dem Fuß des MBS-10. Damit der ganze Aufbau nicht verrutscht, habe ich mit kleinen Schraubklemmen experimentiert. Ich muss aber zugeben, dass sich ein paar Klebestreifen rechts und links besser bewährt haben. Einen definierten Anstellwinkel erreicht man durch Messung der Tischhöhe rechts und links in einem bestimmten Abstand. Dazu verwende ich die Tiefenmessung der Schieblehre. Der Anstellwinkel ergibt sich aus dem Arcustangens der Steigung, der bei den kleinen Winkeln in linearer Näherung berechnet werden kann.

  Hilfseinrichtung zur Schrägstellung des Drehtisches (auf dem Fuß des MBS-10) - Bild ist zum Verständnis des Textes erforderlich
     
Drehtisch bestückt mit zwei LED-Lampen  

Aufnahmen und Aufnahmetechnik
Einige Aufnahmen die mit dieser Einrichtung aufge-nommen wurden, finden Sie hier.

Hinweise für die Wahl des geeigneten Konvergenz-winkels sind im gleichnamigen Abschnitt zu finden.

Kleinere Details der Praxis sind hier nicht ausgeführt. Ich denke, um eigenes Experimentieren wird man nicht herumkommen, wenn man sich entschließt, den Drehtisch nachzubauen. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass der Bau nicht schwierig ist. Die hohe Präzision der Drehung ist durch das Kugellager garantiert, seinem Herzstück. Das macht die Konstruktion auch attraktiv für den Eigenbau eines Drehtisches für das Durchlichtmikroskop.

Falls Sie Verbesserungsvorschläge zu der vorgestellten Mechanik haben oder eigene Lösungen realisiert haben, würde ich mich über eine kurze Information freuen.